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Topsharing – geteilte Führung

Geschrieben von Caroline Günther | 26.02.2020

Unter dem Schlagwort New Work werden viele verschiedene Phänomene zusammengefasst, die aktuell für einen Umbruch in der Arbeitswelt sorgen. Coworking bringt die verschiedensten Menschen in einem Büro zusammen, Hot Desks ermöglichen, den Arbeitsplatz jeden Tag frei zu wählen. Eine weitere Ausprägung von New Work ist das Arbeitsmodell Jobsharing, im Deutschen auch Arbeitsplatzteilung genannt.

Jobsharing gibt es eigentlich schon seit den 80er-Jahren – damals eher als Nischenthema. Heute wird es in kommunalen Unternehmen immer präsenter. Aber was ist der Unterschied zum Teilzeit-Modell? Beim Jobsharing wird eine Position nicht anteilig gesplittet und von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Mitarbeiter*innen ausgeführt, sondern mit zwei Personen besetzt, die im Team zusammenarbeiten und die Stelle gemeinsam verantworten. Das heißt, sie teilen sich Aufgaben und Zeit selbstständig untereinander auf. So können sie die Arbeitsintensität an ihre Lebensphase flexibel anpassen – und sind nicht an den engen Rahmen von klassischen Teilzeitstellen gebunden. 

Jobsharing: geteilte Arbeit, geteilte Verantwortung

Die Motive für das Modell sind unterschiedlich. Grundsätzlich sind es aber Menschen, die sich mehr Zeit wünschen. Mehr Zeit für die Familie, Hobbys, eine Weiterbildung neben der Arbeit – oder ganz einfach mehr Zeit für sich selbst. Wie das in der Praxis aussieht, zeigen die Stadtwerke Lübeck und München.

Katharina Boesett und Jöran Sommers teilen sie sich seit vorherigem Mai eine Stelle in der Personalabteilung des Stadtwerke Lübeck Konzerns. Sie sind jeweils 2,5 Tage die Woche im Unternehmen. Katharina Boesett engagiert sich ehrenamtlich im Universitätsklinikum. Jöran Sommers absolviert neben seinem Job ein Studium im Bereich Management und Digitalisierung.  Neben den beiden praktizieren vier weitere Kollegen aus den Bereichen Netze und Controlling aktuell dieses Arbeitsmodell bei den Stadtwerken Lübeck.

Bewerbung zu zweit erwünscht 

Idealerweise beginnt Jobsharing bereits im gemeinsamen Bewerbungsprozess. Die Stadtwerke Lübeck schreiben mittlerweile alle Stellen mit dieser Option zum Jobsharing aus. Es ist möglich, die Bewerbungsunterlagen direkt zu zweit einzureichen und sich darin als Tandem zu bewerben. Boesett und Sommers kannten sich vor ihrer Zusammenarbeit nicht. „Aber es hat gepasst wie die Faust aufs Auge“, erzählt Boesett lachend. „Natürlich mussten wir uns als Team erstmal einspielen und kennenlernen, aber mittlerweile läuft unsere Arbeit Hand in Hand.“

Wie bei jeder Teamarbeit, bedarf es auch beim Jobsharing guter Organisation und Kommunikation. Jobsharing-Partner müssen nicht beste Freunde sein, sich aber sympathisch finden, um als Tandem zu funktionieren. „Es ist wichtig, dass die beiden Menschen harmonieren, gleichwertig diszipliniert arbeiten und sich gut miteinander abstimmen. Das ist die Herausforderung beim Jobsharing“, sagt Stephanie Beuster, Personalmanagerin bei den Stadtwerken Lübeck. Bei Boesett und ihrem Tandem-Partner ergänzen sich Interessen und Kompetenzen. „Wir haben ein ähnliches Arbeitspensum. Allerdings lege ich bei unserer Stelle den Fokus auf Personal Recruiting, er auf IT-Projekte“, erzählt sie.

Topsharing bei den Stadtwerken München

Dass man sich auch eine Führungsposition teilen kann, zeigen Dr. Clara Kronberger und Nicole Gargitter von den Stadtwerken München (SWM). Seit drei Jahren leiten sie gemeinsam den Bereich Telekommunikation mit insgesamt 120 Mitarbeitenden. Aus Jobsharing wurde Topsharing. Wie kam es dazu? Als die Führungsposition freu wurde, kamen die Kolleginnen, die über Jahre beruflich zusammengewachsen waren, aus familiären Gründen auf die Idee, sich gemeinsam für die Führungsposition zu bewerben. „Für uns beide war klar, dass wir den Schwerpunkt nicht nur auf die Arbeit legen wollen, sondern auch auf unsere Familien“, erzählt Gargitter.

„Wir haben eine freundschaftliche Ebene und schätzen den Blickwinkel der anderen.“ Dr. Clara Kronberger, Leitung Telekommunikation, Stadtwerke München (SWM)

Vor unserer gemeinsamen Führungsposition teilten wir sechs Jahre Büro und Aufgabenbereich, haben viele Projekte gemeinsam durchdacht, uns gegenseitig unterstützt und dabei gesehen, dass sich unsere Kompetenzen und fachlichen Hintergründe sehr gut ergänzen“, so Kronberger. Gargitter hat eine kaufmännische Ausbildung und ein BWL-Studium hinter sich. Kronberger ist studierte Physikerin mit einem Doktor-Ingenieur in Elektrotechnik. Die Arbeitsstunden werden so verteilt, wie es die familiäre Situation der beiden gerade zulässt. Über einen längeren Zeitraum arbeitete Gargitter Vollzeit. Kronberger, die zu der Zeit ein kleines Kind hatte, arbeitete 50 Prozent. Als Gargitter voriges Jahr auch Mutter wurde, haben sie die Arbeitszeiten neu koordiniert. Nach wie vor gibt es gemeinsame Themen (wie Strategie und Personalentscheidungen) und eigene Schwerpunkte – je nach Neigung und Dringlichkeit.

Abstimmung auch an freien Tagen

Der Abstimmungsbedarf ist in Topsharing-Modellen zumindest am Anfang höher. Wie bei allen Führungskräften, die flexible Modelle praktizieren, zeigt die praktische Erfahrung, dass auch an den freien Tagen, dringende Absprachen getroffen werden. „Wir haben ein gemeinsames Postfach, das dafür sorgt, dass wir alle Informationen gleichermaßen erhalten und entsprechend bearbeiten können. Wir telefonieren fast täglich und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden, so dass wir vor Mitarbeitenden immer beide sprechfähig sind. Das Gespräch dauert mal zwei Minuten, mal zwei Stunden. „Es ist ein Vorteil, dass wir uns generell gern austauschen. Wir haben eine freundschaftliche Ebene und schätzen den Blickwinkel der anderen“, erzählt Gargitter.

Für die Mitarbeiter*innen bedeutet Topsharing eine Umstellung, die aber in der Regel ohne große Probleme abläuft. Sie läuft aber meist ohne große Probleme ab und geht idealerweise Hand in Hand mit mehr Eigenverantwortung des Teams und Delegieren. Gargitter und Kronberger tragen ihr Erfolgsprinzip Topsharing derweil im Unternehmen weiter: Sie leiten seit Jahresbeginn gemeinsam die Strategie und Konzernsteuerung der Stadtwerke München.

Bild: Dr. Clara Kronberger und Nicole Gargitter (von links) von den Stadtwerken München

Dieser Artikel erschien erstmalig am 05.02.2020 in der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK).

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