Zu alt für digitale Beteiligung? Senior*innen erobern das Internet

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Als Berater*innen freuen wir uns immer, wenn wir Vorhabenträger*innen dabei unterstützen können, über ihre Projekte zu informieren, ihre Entscheidungen zur Diskussion zu stellen und weitere Perspektiven einzuholen. Um eine möglichst ganzheitliche und für alle Bürger*innen zugängliche Beteiligung zu realisieren, nutzen wir analoge und digitale Formate als gleichwertige Elemente eines Beteiligungsprozesses.

Seit Frühjahr 2020 ist bekanntermaßen alles anders. Pandemiebedingt ist es auch für uns unumgänglich geworden, ausschließlich auf kontaktlose und digitale Formate zu setzen, um sowohl Austausch und Information als auch die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. 

Ein Einwand begegnet uns immer wieder: Mit digitalen Beteiligungsformaten verlieren wir eine relevante Stakeholdergruppe: Senior*innen.

Die Befürchtung, ältere Menschen seien für Online-Beteiligung nicht erreichbar, ist bei Vorhabensträger*innen weit verbreitet. Über 60-Jährige sind in der Regel bei Präsenzveranstaltungen stark vertreten und liefern fundierte Beiträge. Vor diesem Hintergrund werden wir häufig gefragt: Haben Senior*innen ausreichend Zugang zu internetfähigen Geräten, um digital mitdiskutieren zu können?

Weitere Sorgen bereiten Vorhabensträger*innen häufig die Bedienung von Videokonferenztools und Beteiligungsplattformen, da beides ein Grundgespür für die Bedienung eines Computers und das Verständnis eines einfachen Webseitenmenüs voraussetzt. In jeder Generation gibt es Menschen, die mit dem Internet fremdeln oder ihm skeptisch gegenüberstehen. Dass sich ältere Bürger*innen allein aufgrund ihres Alters grundsätzlich mit digitalen Anwendungen schwertun, deckt sich allerdings nicht mit unseren Erfahrungen!

Nicht erst seit Corona: Internetnutzung der Generation 60 plus steigt kontinuierlich  

Ein Blick in zahlreiche Statistiken zur Internetnutzung von Senior*innen bestätigt diesen Eindruck: Übereinstimmend kommen die Erhebungen zum Schluss, dass sich ältere Menschen sehr wohl im digitalen Raum bewegen, und das nicht erst seit dem Digitalisierungsschub durch coronabedingte Kontaktbeschränkungen.  

Bereits im Jahr 2019 waren 81 Prozent der 60 bis 69-Jährigen und etwa 50 Prozent der über 70-Jährigen regelmäßig im Internet. Bei den damals 50 bis 59 -Jährigen lag der Nutzer*innenanteil sogar bei 92 Prozent (Quelle).

Daraus lässt sich schließen, dass die künftige Generation 60 plus noch intensiver das Internet nutzen wird, als es schon jetzt der Fall ist. Natürlich lässt die pauschale Frage nach der Internetnutzung der Generation 60 plus noch keine Rückschlüsse auf den Grad ihrer „digitalen Fitness“ zu. Eine qualifizierte Abfrage des Statistischen Bundesamtes ermöglicht in dieser Frage eine bessere Einschätzung: 85 Prozent der Generation 65 plus schreibt und empfängt regelmäßig E-Mails und rund 60 Prozent informieren sich im Internet zu Nachrichten und Gesundheitsthemen. 

Bemerkenswert ist außerdem, dass über die Hälfte der Befragten auch vor durchaus komplexen Vorgängen wie etwa Urlaubsbuchungen und Onlinebanking (jeweils 53 Prozent) nicht zurückschrecken. „Kleingedrucktes“, komplizierte Menüführungen und oftmals wenig nutzerfreundliche Authentifizierungsverfahren stellen für sie offenbar keinen Hinderungsgrund dar (Quelle).

Für uns bedeuten diese Zahlen vor allem eines: Ein großer Teil der Senior*innen sind bereits im Internet aktiv und in der Lage, digitale Angebote selbstständig zu nutzen. Sofern ihr Interesse an der Beteiligung geweckt wird und sie über ein geeignetes Gerät verfügen, steht ihrer Teilnahme an digitalen Beteiligungsprozessen nichts im Weg.  

Digitale Teilhabe für alle Generationen: Barrierearme Beteiligungsplattformen machen es möglich

Diejenigen, die technisch noch unsicher sind oder mit besonderen Einschränkungen leben, möchten wir aber nicht außen vorlassen. Wir haben unsere digitale Beteiligungsplattform so angepasst, dass sie auch für Senior*innen eine verbesserte Verständlichkeit und Bedienbarkeit ermöglicht:

Farben und Kontraste

Mit einer integrierten Kontrastfunktion werden die Farbwerte auf unserer Beteiligungsplattform bei Bedarf entfernt. Durch die Reduzierung auf schwarz und weiß Töne werden Text und Hintergrund für seheingeschränkte Nutzer*innen besser lesbar. Das hilft auch bei der mobilen Nutzung. Hier bleiben Inhalte auch bei starker Sonneneinstrahlung deutlich erkennbar.

Anpassung der Schriftgröße

Mit einer integrierten Funktion zur Anpassung der Schriftgröße wird der Schriftgrad prozentual erhöht. Texte werden dadurch für seheingeschränkte Menschen leichter lesbar.

Vorlesefunktion

Mit Hilfe der Vorlesefunktion können sich blinde und seheingeschränkte Nutzer*innen Inhalte auf der Webseite laut vorlesen lassen.

Verständliche Sprache

Wir erklären Inhalte wo es nötig ist in leicht verständlicher Sprache und vermeiden insbesondere bei Bedienungshinweisen Fremdwörter.

Klare Menüführung und niedrigschwellige Teilnahme

Unsere Beteiligungsplattform kommt mit einer klaren Menüführung mit wenig Ebenen aus. Die Teilnahme ist niedrigschwellig und kann auch ohne persönliche Registrierung gestaltet werden.

Unsere Empfehlung: Analoge Hilfestellungen als Schlüssel zur gelungenen digitalen Beteiligung

Letzten Endes bestimmen aber nicht nur der technische Rahmen über den Erfolg eines digitalen Beteiligungsprozesses. Bürger*innen jeden Alters und insbesondere Senior*innen, sollten aktiv darin bestärkt werden, an digitalen Formaten teilzunehmen. Eine Möglichkeit ist hier, Informationen und leicht verständliche Anleitungen zur Teilnahme postalisch zu versenden. Eine zusätzlich geschaltete Telefonhotline ermöglicht es Bürger*innen darüber hinaus, technische Probleme „live“ zu klären und sich bei Bedarf persönlich durch den Prozess führen zu lassen.

Denn davon sind wir Lots*innen überzeugt: Mit gut bedienbaren Tools und individuell angepassten Unterstützungsangeboten ist digitale Beteiligung für Senior*innen und die große Mehrheit der Bürger*innen eine Chance sich aktiv in gesellschaftliche Prozesse einzubringen – in Coronazeiten und darüber hinaus.

Digitale Beteiligung bei Lots*

Unsere Beteiligungsformate ermöglichen es Teilnehmenden:

  • sich orts- und zeitunabhängig über Projektverläufe zu informieren
  • aktuelle Planungsdokumente einzusehen und downzuloaden
  • visuell aufbereitete Daten zu sichten
  • Webcasts und Erklärvideos zum Projekt aufzurufen

Unsere Dialogplattform ermöglicht es außerdem:

  • Vorschläge oder Einwände auf einer digitalen Karte genau zu verorten
  • die Vorschläge anderer Teilnehmenden zu bewerten
  • mit anderen Teilnehmenden die eigenen Ideen zu diskutieren

Argumente und Taktiken für digitale Beteiligung?

In unserem E-Partizipation Playbook liefern wir Ihnen Argumente, warum digitale Beteiligung eine echte Option für ältere Menschen darstellt, wie Sie digitale Beteiligungsprozesse barrierearm und datenschutzkonform durchführen und wie Sie Ihre Geschäftsführung und IT-Abteilung davon überzeugen.

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Jörg Müller

Jörg Müller ist Geschäftsführer von Lots*, systemischer Moderator und strategischer Kommunikator. Seit langem begleitet er vor Ort und digital Beteiligungsformate. Ob digitale Bürgersprechstunde oder Zukunftswerkstatt: Jörg ist überzeugt, dass sich fast alle Themen mit einer guten Konzeption, Klarheit in der Themenstellung und einem auf die Zielgruppen abgestimmten Beteiligungs- und Kommunikationskonzept bearbeiten lassen. Unsere internen Meetings und Team-Tage wären ohne Jörgs strukturierende Klebezettel nur halb so bunt. Diese wurden auch schon in seiner heimischen Küche gesichtet.

Hier finden Sie alle Beiträge von Jörg Müller

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