Krisenkommunikation vs. Kommunizieren in der Krise

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Im November 2015 wird ein Fußballländerspiel in Hannover in letzter Minute abgesagt. Bundesinnenminister de Maizière bittet auf einer Pressekonferenz um Vertrauen. Es gäbe eine Gefährdungslage, die Entscheidung sei richtig. Der Nachfrage, wie die Gefährdungslage genau aussähe, weicht der Innenminister aus. Er bittet um Vertrauen in die Entscheidung und sagt: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Die Bevölkerung bleibt rat- und informationslos zurück. De Maizière hat mit seiner Antwort selbst die Bevölkerung verunsichert. Er hat ein schwarzes Informationsloch aufgemacht, wo vorher keines war. Er hat es selbst erzeugt. Schwarze Löcher ziehen Materie an. Dieses Loch füllte sich schnell mit Verschwörungstheorien, negativen Wunschträumen und Ergebnissen investigativer Medienrecherche. Das Beispiel zeigt, wie Kommunikation in einer Krise ablaufen kann. Krisenkommunikation im guten Sinne ist das nicht.

Gibt es Don’ts?

In aller Kürze: ja. Auf drei Dinge sollte bei Texten in der Krisenkommunikation verzichtet werden:

  • Das Erzeugen schwarzer Informationslöcher schürt die Krise.

  • Öffentliche Schuldzuweisungen, im schlimmsten Falle gegenseitige – also Diskussionen mit rechtlicher Brisanz – schüren die Krise.

  • Rosarote Schönfärberei, positive Überhöhung und andere Versuche, die Zielgruppe einzulullen, erzeugen einen Boomerang-Effekt und stellen den Absender der Information auf eine hohe Stufe, die in der Krise nicht zu halten ist.

Was will ich erreichen?

Bevor die Information formuliert wird, muss sich der Absender über eines klar sein: Das Ziel der Informationsverbreitung. Sollen die Menschen der Zielgruppe nur etwas wissen, sollen sie etwas tun, sollen sie sich auf etwas einstellen? Was sollen sie wissen, was sollen sie tun, auf was sollen sie sich einstellen?

In welchem Zusammenhang spreche ich?

In welchen Zusammenhang, welchen Gesamtprozess ist das Ziel der Informationsverbreitung einzuordnen? Keine Aussage ist singulär. Jede Kommunikation ist Teil eines Prozesses. Der Zusammenhang der Information zu anderen Faktoren und Auswirkungen sollte in der Krisenkommunikation mit benannt sein. In der Krise fehlt die Ordnung. Hilft man den Menschen der Zielgruppe, diese Ordnung wieder sehen zu können, hilft man der Glaubwürdigkeit der Information.

Manchmal kann der Absender den zukünftigen Verlauf des Gesamtprozesses schwerlich voraussagen – gerade in der Krise. Wenn das so ist, sollte das nicht verschwiegen werden.

Wie erreiche ich die Zielgruppe?

Die Pressemitteilung auf der Webseite mag eine Veröffentlichung sein. Ist dies der einzige Kanal, kommuniziere ich mit dem Nichts. Gerade in der Krise stillt der Mensch seinen Informationsbedarf über viele Kanäle. Die Zielgruppe sollte die Informationen des Absenders in mehreren Kanälen finden. Immer im selben Wortlaut. So steigen die Glaubwürdigkeit der Information und die Chancen zur Zielerreichung.

An der Größe der Krise, an der Relevanz der Information des Absenders kann man die Anzahl der für die Zielerreichung notwendigen Kanäle ablesen. Je größer der Problem, je mehr Menschen zur Zielgruppe gehören, desto mehr Kanäle sollte die Krisenkommunikation nutzen.

Die Art der Kanäle ist an das Informationsbeschaffungsverhalten der Zielgruppe anzupassen. Die Social-Media-Kanäle anderer Institutionen erreichen gegebenenfalls mehr Menschen der Zielgruppe, als der Pressebereich der eigenen Webseite.

Wie gehe ich mit Medienvertretern um?

Medienvertreter sind gerade in der Krise Teil der Zielgruppe. Zugleich sind sie aber auch der Schlüssel zu wichtigen Kommunikationskanälen. Krisenkommunikation braucht das Vertrauen der Medienvertreter. Gerade ihnen muss ersten die Relevanz der Information klar sein und zweitens müssen sie sie verstanden haben.

Wie kann mich die Zielgruppe verstehen?

Der Absender von Krisenkommunkation steht per se an herausragender Stelle. Und dennoch ist er Teil der Krise, zu der er kommunizieren muss. Das ist ein Haltungsspagat, der machbar ist, wenn der Stil der Krisenkommunikation auf dem Boden bleibt. Auf dem Boden, auf dem auch die Zielgruppe steht. Sie verlangt in der Krise nach relevanten und belastbaren Informationen. Informationen, die klar sind, die möglichst keine Interpretationsspielräume zulassen. Krisenkommunikation erfordert sachliche Schreibe. Krisenkommunikation bedeutet, auf Fragen zu antworten, auf Fragen der Zielgruppe. Mit denen muss sich der Absender beschäftigten, bevor er kommuniziert. Sie muss er beantworten. Auch dann, wenn die Fragen noch nicht gestellt wurden, auch dann, wenn die Antworten die Zielgruppe verunsichern könnten.


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Christoph Graebel

Für Christoph Graebel halten wir immer ein Plätzchen vor der Kamera frei. Als unser Lieblings-Projektkommunikator für Bau- und Infrastrukturprojekte agiert er vor, hinter und neben unseren Kund*innen. Mal tags, mal nachts, mal am Wochenende. Wenn Zeit bleibt, frönt er seiner heimlichen Lots*-Leidenschaft und konzipiert und moderiert Bürgerdialoge.

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